ULV.aktuell report, 11. März 2005, 13:30, Bericht von Gert Bachmann
Sassik, Legat, Haidinger, Reuther, Weigel, Cenker
Am Dies Academicus 2005 der Alma Mater Rudolphina
Moderiert von Martin Haidinger (ORF), präsentierten ULV-Experten die Standpunkte der UniversitätslehrerInnen zu aktuellen Themen.
Nach einer Einleitung von Tilmamn Reuther (ULV Österreich) referierte zunächst Anneliese Legat (ULV Graz, Vorsitzende des ZA) zum sogenannten „Bolognaprozess“, der Annäherung der Ausbildungsstandards an den Hochschulen Europas. Erstens sei der Bedarf an Baccalaurei zu hinterfragen, denn nicht jedes Fach benötige derartige Asolventen. So sei es künftig nicht absehbar, wo Baccalaurei der Rechtswissenschaften einen Arbeitsplatz finden sollten, wenn bereits ein Magisterium keine Jobgarantie mehr sei. Hier wäre seitens des Gesetzgebers wesentlich mehr Augenmaß und Differenzierung nach Fachrichtungen angesagt, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Bildungspolitik solle sich nicht nur an den derzeitigen Marktbedürfnissen, sondern vermehrt auch am gesellschaftlichen Bildungsauftrag, und zukunftswichtigen Themen orientieren.
Christian Cenker (ULV Wien, Vorsitzender) befasste sich mit den Plänen zum Outsourcing der Lehramtsstudien an die Pädagogischen Akademien. Er betonte, daß ein derartiges Ansinnen zu massiv schlechterer Lehrqualität führe, da von universitärer und forschungsverbundener Lehre entkoppelte Lehrerausbildung die Weitergabe stagnierenden Wissens bedeute. Ausserdem stelle diese Vorgangsweise in krassem Widerspruch zu der propagierten Autonomie der Universitäten. Solch politischer Interventionismus gehe an den tatsächlichen Erfordernissen vorbei und verursache Zusatzkosten. Herbert Sassik (Wien, GÖD Sektion HochschullehrerInnen, ULV Wien) forderte eine durchgängige Karriereschiene (tenure track) an den Universitäten, und zwar mittels eines vernünftigen Kollektivvertrages, da ansonsten die Qualität der Lehre und systemerhaltende Tätigkeiten gegenüber dem Forschungswesen ins Hintertreffen gerieten. Dazu müsse, mangels eines gesetzlich berücksichtigten Mittelbaues, der bis dato relevante Aufgaben wahrnahm, die Professorenkurie stark aufgestockt werden, Dagegen gebe es aber leider massiven Widerstand der „ordentlichen Professoren“. Gerade hier gebe es Reparaturbedarf am Universitätsgesetz.
Wolfgang Weigel (ULV Wien, Pressereferat) ging auf die Universitätsunterfinanzierung und die geplanten „Eliteuniversitäten“ ein. Es sei zu hinterfragen, warum nicht die bestehenden Universitäten mit ihren „Centers of Excellence“, Schwerpunkten und Kollegs ausgebaut würden, anstatt mit Eliteuniversitäten den „Braindrain ins Ausland“ staatlich vorzufinanzieren.
In der anschließenden Diskussion gab sich Rektor Wickler konziliant: Gestzesänderungen seien nicht „undenkbar“, hinsichtlich des Kollektivvertrages sei man sich bereits sehr nahegekommen. Allerdings müsse man sich fragen, was jetzt mit den pädagogischen Akademien geschehen solle, wenn die Lehrerausbildung an den UNIs verbliebe. Weiters sei ein großes Problem in den hohen Dropoutraten der Studierenden von bis zu 80% zu sehen (Anm.: Handelt es sich hier nicht um Maxima, und ist ein solcher Durchschnitt über alle Fachrichtungen nicht polemisch?), dieses „ergebnislose Studieren“ müsse ernst genommen werden. Auch die Angst vor der Verwirtschaftlichung der UNIs suchte Winckler zu zerstreuen - nur ein schlechter Ökonom richte alles nach der Ökonomie aus, dennoch sei aber Effizienz einzufordern. Die Tatsache der knappen Mittel (von Legat als „Totschlagargument“ bezeichnet) sei eben limitierend für den Handlungsspielraum.
Anm.: Die mangelnde Gegenwehr der Rektoren gegen das UG2002, gegen die knappen Mittel und die jüngsten Spaar/Entwicklungspläne (E-Learning statt Präsenzlehre, geplante Schließung „wenig erfolgreicher“ Fachgebiete, siehe derStandard, lokale Kopie) und die sehr expliziten Zurufe seitens der Industriellenvereinigung sorgen aber weiterhin für gehörige Skepsis.