ULV-News
Ein Pflichtenheft für die Universitätspolitik
Wolfgang Weigel (ULV-Pressereferent)
Augenblicklich steht ja die Fragen der Kostentragung und damit der Abwendung dramatischer budgetärer Einbußen im Vordergrund der Universitätspolitik. Die finanziellen Kalamitäten bergen aber die Gefahr in sich, wichtige und durchwegs unerledigte Aufgaben und Ziele der Universitätspolitik zu dominieren und zu verdecken.
Hier seien die dringenden universitätspolitischen Aufgaben in einem „Pflichtenheft“ für die Spitzenpolitik noch einmal urgiert.
Da soll die Abschaffung der „Kasten“ oder Klassen von Universitätslehrenden zu Gunsten eines richtungweisenden und ausgewogenen „Faculty“-Modells zuerst genannt werden, weil das im Regierungsprogramm ja auch angesprochen wird!
Ferner: Überfällig ist auch die Umsetzung der im Kollektivvertrag ermöglichten Laufbahnbilder für jüngere WissenschaftlerInnen, welche Leistungsbereitschaft, Kontinuität und Planbarkeit in sich vereinigen. Die ministerielle Personalsteuerung über die Leistungsvereinbarungen zusammen mit den ausufernden befristeten Verträgen und den zeitlich begrenzten Finanzierungen über Drittmittel dürfen nicht weiter Standard sein! Forscherpersönlichkeiten, welche innovative Wege verfolgen und auch der Lehre angemessene Aufmerksamkeit widmen, brauchen Freiraum und Zeit! Und die österreichischen Universitäten können mit „Drehtürpersonal“ international nicht mithalten und sind damit auch mittelfristig in ihrem Bestand gefährdet.
Foschungsvielfalt, Lehrvielfalt, Gender Mainstreaming, die Mitwirkungsmöglichkeiten und -rechte der MitarbeiterInnen, sind weitere personalpolitische Bereiche, die eine Pflege und Kultivierung dringend nötig haben!
Auch die mancherorts angedachte Trennung der Rechnungskreise von Forschung und Lehre sollte gleich wieder eingepackt werden.
Der Gedanke ist natürlich verführerisch: Forschungsproduktion verdient sich ihr Geld durch Einwerbung von Projekt- und sonstigen Drittmitteln, und die marginalisierte Ausbildung bezahlen sich die Studierenden selbst, oder?
Also: Wie wäre es mit der Erhebung der „Forschungsgeleiteten Lehre“ zum Artikel 1 universitären (Selbst-)Verständnisses. Da wäre der Spuk der klaren Kostenzurechnung dann schnell vorbei. Um nicht missverstanden zu werden: Es geht nicht um Verschleiern, Unschärfen, „Quersubventionierung“: Es geht um die Essenz universitärer Aufgaben und Funktionen auf höchstem Niveau. Und es geht darum, dass sich die öffentliche Hand nicht elegant aus der Verantwortung stehlen darf (das ließe sich ja einfach machen, indem man Universitäten dem Konkursrecht unterwirft, noch nie daran gedacht?)
Weiters verlangt das primäre und sekundäre Bildungssystem nach der Verbindung von pädagogischer und inhaltlicher Ausbildung, und das an den Universitäten und auf Masterniveau, um den reibungslosen Umstieg von der Sekundarstufe in den tertiären Bereich zu ermöglichen!
Zudem gilt es zu überlegen, ob Zugangsbeschränkungen wirklich das geeignete Mittel zum Zweck sind. Jungen Menschen muss wieder signalisiert werden, dass sie an den Universitäten willkommen sind. Es ist volkswirtschaftlich nicht vertretbar, Studierende, die keine naturwissenschaftlich-technische Studienrichtung wählen oder wegen des derzeit bereits bestehenden Hürden begehrte Fächer nicht studieren können, in Hinkunft wegen einer neuen künstlichen Verknappung überhaupt von den Universitäten fern zu halten.
Ein wichtiges Teilproblem in dieser Frage liegt in den regionalen Wanderungsbewegungen von Studierenden (besonders schwerwiegend hier das Ausweichen deutscher Studienwerber auf österreichische Universitäten, um Zugangsbarrieren wegen verpasster Notendurchschnitte zu entgehen). Dass im Europäischen Gerichtshof die spezifischen Eigenheiten von Universitäten als „Produktionsstätten von Bildung“ nicht verstanden werden, zeugt vom mangelnden Ökonomieverständnis und ist bedauerlich - was aber in dieser Hinsicht an Strategien erdacht und ventiliert worden ist, ist gelinde gesagt - mit der einzigen Ausnahme, eine Art Finanzausgleich für transnationale Universitätsausbildung einzuführen - dilettantisch.
Das einzige, was die Universitäten sicher nicht brauchen können, ist eine „große“ Reform. Sie brauchen Rahmenbedingungen, sie brauchen die Optimierung der bestehenden Möglichkeiten, sie brauchen selbstverständlich die finanziellen Mittel, um ihrem gesellschaftlichen Auftrag Genüge zu leisten.
Natürlich dürfte man auch über Alternativen zum System Universität nachdenken. Solange aber die forschungsgeleitete, also die vom wissenschaftlichen Fortschritt geprägte, wissenschaftliche Berufsvorbildung das maßgebliche Ideal ist, gibt es keine Alternative. Und dieses Konzept ist optimal. Es will kultiviert und entwickelt sein und nicht permanent in Frage gestellt.
Ein paar Worte zur "Pädagoginnenbildung Neu"
Christian Cenker (Vorsitzender des ULV-Österreich)
Nach dem schlechten Abschneiden des österreichischen Bildungssystems in mehreren internationalen Vergleichen entschlossen sich, nach 25 Jahren Stillstand in der österreichischen Bildungspolitik, das bm:ukk und bm:wf gemeinsam (BM Schmied und BM Karl, nun von BM Töchterle geerbt), die LehrerInnenbildung neu zu überdenken. Inzwischen wurde, nicht zuletzt durch den Einfluss und die Forderungen vieler Stakeholder, nach internatonalen Topmodellen zu handeln, aus der „LehrerInnenbildung Neu“ wurde eine „PädagogInnenbildung Neu“ - eine Bildung, die also auch den elementarpädagogischen Bereich (allgemein als Kindergarten bekannt) umfassen soll.
Der Endbericht der Vorbereitungsgruppe schlägt nun sehr viele, sinnvolle Maßnahmen vor, ohne natürlich in die Struktur der österreichischen Bildungslandschaft einzugreifen. Hier ist die Regierung gefragt und zu allererst müssen auch die vorhandenen „LehrerInnenbildungsanstalten“ offen und ehrlich agieren, um das „Programm“, den öffentlichen Auftrag, umsetzen zu können. Es geht hier nicht, wie einige Stimmen vermuten lassen, um Pfründeverteidigung, sondern um das langsame, zielgerichtete Umbilden der veralteten Strukturen, um das Beste für die Zukunft unserer Kinder und damit auch der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich zu schaffen.
Quality in Higher Education
Michaela Schaffhauser-Linzatti (ULV der Universität Wien)
Im Rahmen des Hochschul-Qualitätssicherungsrahmengesetzes wurde die österreichische Qualitätssicherungsagentur, AQA, ins Leben gerufen, um, nach AQA-Homepage, externe Qualitätssicherungsverfahren nach Europäischem Standard durchzuführen und einen unabhängigen Leistungsnachweis zu bieten. Die Ergebnisse sollen universitätsintern als Grundlage für Steuerungsentscheidungen, z.B. Berufungsmanagement, und auf Systemebene, z.B. Akkreditierungen, herangezogen werden. Die derzeit vier ordentlichen Mitglieder UNIKO, Fachhochschulkonferenz, ÖH, BMWF sollen bald um Vertreter der Privatuniversitäten und Pädagogischen Hochschulen erweitert werden; Qualität, Wissenschaftlichkeit und Unabhängigkeit werden durch eine mit VertreterInnnen aus Wissenschaft und Praxis bestellten Steuerungsgruppe verantwortet.
Die Diskussion um die Einrichtung von AQA stand bisher für die Öffentlichkeit ein wenig im Schatten anderer universitätspolitischer Themen, hochschulpolitisch aktive Organisationen wie z.B. der ÖGB als Vertreter der HochschullehrerInnen mit dem ULV als größte Fraktion haben massive Kritik geäußert. Die gravierendsten Bedenken betrafen das Spannungsverhältnis von Autonomie und Kontrolle, die hohen Kosten für die Agentur, das Kontrollmonopol einer nicht demokratisch gewählten Verwaltungseinheit über die - angeblich - freien Universitäten, das Ansteigen der Bürokratie oder der intensivierte Einsatz von sich als bereits als ungeeignet erwiesener Instrumente zur Qualitätsentwicklung.
Der ULV will für eine breite Leserschaft in dieser Ausgabe einen ersten Anstoß zum Nachdenken geben und die Frage aufgreifen, ob vor dem Hintergrund massiver Budgetkürzungen und steigender internationaler Konkurrenz eine derart konstruierte Organisation wie die AQA tatsächlich eine Qualitätssteigerung bewirkt und eine effiziente Ressourcenallokation darstellt.
Laut Wikipedia, einem nicht qualitätsgesichterten Nachschlageinstrument, bedeutet Qualität (lat.: qualitas = Beschaffenheit, Merkmal, Eigenschaft, Zustand) einerseits a) neutral: die Summe aller Eigenschaften eines Objektes, Systems oder Prozesses und b) bewertet: die Güte aller Eigenschaften eines Objektes, Systems oder Prozesses. Für Universitäten bedeutet Qualität Spitzenleistungen in Forschung und Lehre, die durch serviceorientierte und effiziente Verwaltung unterstützt werden muss. In der Tat existieren für alle drei Bereiche bereits ausreichende Qualitätssicherungsinstrumente, die teilweise derart intensiv und zeitraubend eingesetzt werden, dass sie eine Weiterentwicklung von Forschung, Lehre und Verwaltung bereits behindern. Erlauben Sie eine - nicht vollständige - Aufzählung.
Die Verwaltung, einmal auch in einem Organ der UniversitätslehrerInnen vor den Vorhang geholt, unterliegt neben der internen Revision einer jährlichen Abschlussprüfung und der öffentlichen Kontrolle des Rechnungshofes. Personaleinsparungen stehen wachsendem Leistungsdruck von Universitätsleitung und wissenschaftlichen MitarbeiterInnen sowie steigenden Forderungen von Serviceorientierung seitens der Studierenden gegenüber und lassen Ineffizienzen und mangelnde Qualität der Leistung nicht zu.
In der Lehre sind auf Systemebene durch existierende internationale Zertifizierungen und Akkreditierungen bereits zahlreiche internationale Standards vorgegeben. Die Qualität der Lehrenden unterliegt höchster Transparenz: Sie werden universitätsintern regelmäßig mit - mehr oder weniger geeigneten - elektronischen und manuellen Fragebogenerhebungen bewertet. Seitens der Studierenden stehen elektronische Medien im Vordergrund: Der wachsende Entertainmentanspruch der Studiereden inklusive Ferienclub-orientierter Motivationsshow bei gleichzeitigem Mobbing über internet-Plattformen hat im Gegenteil zur Qualitätssicherung bei vielen Lehrenden zu Abwehrhaltung und Rückzug in alte Unterrichtsformen anstelle Öffnung und didaktischer Experimentierfreudigkeit geführt.
Die Qualität von Forschungsleistungen unterlag schon immer internationaler Qualitätssicherung und wird durch die immer größere „Visibility“ der Forschungsergebnisse offensichtlicher denn je. Die Universitäten und Fakultäten als Organisationen unterliegen Evaluationen durch internationale Rankings, Scientific Advisory Boards, Leistungsvereinbarungen oder Zielvereinbarungen. Die ForscherInnen sind täglich konfrontiert mit Peer Reviews, double-blind Referee Reports, Submission Criteria bei Konferenzen, Journal Rankings, internationale Rankings einzelner WissenschaftlerInnen, der Kampf um die knappen Drittmittel und projektorientierte Ressourcenvergaben durch Ausschreibungs- und Einreichungsverfahren. Dazu gesellt sich noch der verpflichtende „Wissensbilanz“, welche durch die Universitäten zu erstellen ist.
Alleine die Bestellungsverfahren von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen aller Ebenen unterliegt durch Ausschreibungsverfahren und fakultätsinternen Ressoucenverteilungs„diskussionen“ internationalem Konkurrenzdruck. AQA empfiehlt z.B. als Leitfaden für Berufungsverfahren die Prinzipien 1. Sicherung und Entwicklung von Qualität der Forschung und der Lehre, 2. Gleichstellung von Frauen und Männern, 3. Gleichbehandlung im Sinne der Antidiskriminierung und einer fairen und wertschätzenden, Behandlung aller Kandidatinnen und Kandidaten, 4. Berücksichtigung von Diversity-Aspekten, 5. Transparenz und Nachvollziehbarkeit aller Entscheidungen im Berufungsverfahren und 6. Berufungen im Dienst der Profilbildung der Universität. Hand aufs Herz - haben wir dafür eine Qualitätssicherungsagentur benötigt oder sind diese Richtlinien nicht längst implementiert? (Ob sie sie berücksichtigt werden, sei dahingestellt - aber das ist eine ganz andere Frage!). Ebenso unterliegen JungwissenschaftlerInnen beinharten Auswahlverfahren, die sich an bereits während des Studiums und/oder an anderen Institutionen erworbenen Leistungen orientieren. Sie müssen sich dann ebenso international besetzten PhD- und Habilitationskommissionen unterziehen, um dann die Universität zu verlassen. (Die selten durchgeführten Entfristungsverfahren und einmaligen 99-Verfahren mit Qualitätsanforderungen in Qualität von Berufungsverfahren seien hier nur erwähnt). Hier ist nicht die längst erwiesene Qualität der Betroffenen zu hinterfragen, sondern eher die Qualität der Anstellungsverhältnisse und Verträge, die aufgrund ihrer Kurzfristigkeit sicher nicht zur langfristigen Qualität der Universitäten beitragen.
In diesem höchst kompetitiven Umfeld ein weiteres, bürokratisches und nicht auf die Spezifika jeder einzelnen Forschungs- und Studienrichtung abgestelltes Kontrollorgan unter dem Titel der Qualitätssicherung einzuführen, mutet für alle, die in diesem System arbeiten, da sie sich täglich bewähren, wie eine Ohrfeige an. Dieser Vertrauensverlust in die Organisationen und Menschen führt eher zu Resignation denn zu Qualitätssteigerung.
Ceterum censeo: Ohne langfristigen Perspektiven keine Qualität!