Droht unserer Lehre ein kurzer Bologna-Prozess?
ULV.aktuell report, 6. Dezember 2006, Gert Bachmann
Clemenz, Glaser, Ille,Witte, Mettinger, Liessmann
Bei einer Diskussionsveranstaltung am 6.Dezember 2006 (Arthur Mettinger (Vizerektor für Lehre und Internationales), Gerhard Clemenz (Senatsvorsitzender), Angela Witte (Studienprogrammleitung Molekulare Biologie), Konrad Liessmann (Studienprogrammleitung Philosophie), Karin Glaser (Österreichische HochschülerInnenschaft), Karl Ille (Moderation), Organisation PLUM -Plattform für universitäre Mitbestimmung) wurde knapp vor der Festlegung einer an Europa (den sg.„Bolognaprozess“) angepassten neuen Studienarchitektur noch einmal intensiv über die Vor- und Nachteile der Europäischen Studienarchitektur, aber insbesondere auch über die spezifisch österreichische, im Vergleich zum europäischen Umfeld unflexible Herangehensweise, debattiert.
Die Eingangsreferate machten deutlich, daß allle Beteiligten sich der Problematik der Rahmenbedingungen (unklare Vorgangsweisen, knappe Mittel, für alle Fächer gleiche Studiendauer, geringe Akzeptanz des Baccalaureus in der Wirtschaft, Polarisierung zwischen „Eliten“ und „Fußvolk“) bewußt sind.
Das Rektorat ist für die Vergabe der Mittel an die Studiengänge, der Senat jedoch für die Festlegung der Curricula selbst verantwortlich, die Definition der Studiengänge kann aber nur von der „Basis“, von den über das nötige Wissen verfügenden Studienkomissionen, erfolgen. Darüber hinaus gibt es auf Institutsebene arbeitende, später dann mit diesen teilweise idente noch vom Senat einzusetzende, und drittens auf Rektoratsebene tätige Arbeitsgruppen. Darüber hinaus wird das Budget der Fakultäten im Rahmen der Leistungsvereinbarungen von den geplanten Studien mit bestimmt. Im Vorfeld lancierte Programme konkurrenzieren in weiten Bereichen. Ein einziges Chaos.
Nur im Anfangs/Umstellungszeitraum wird es laut Rektorat an der UNI Wien eine Zusatzfinanzierung für die zwangsläufig nebeneinander laufenden alten und neuen Studienarchitekturen geben, später soll alles wieder „kostenneutral“ werden.
Die dreistufige Studienarchitektur (Baccalaureus/Magister/Doktor) ist nämlich im Prinzip für alle Fächer verpflichtend, auch für jene, welche kaum Berufsnischen für Baccalaurei aufweisen (etwa Rechtswissenschaften, Pharmazie). Anderseits verlängert sich die Studiendauer für den Magister oft bis um ein Jahr oder mehr. Die hier begrüsste Mobilität und Modularität der Bolognaarchitektur ist an sich keine Neuerung, denn nach alter Studienordnung (Doktorat vor 1990) Studierende hatten hier keine Einschränkungen außer den Vorstellungen der BetreuerInnen, ein Studium irregulare war auch damals möglich. Da das Baccalaureat wohl viele bis dato für Magisterium/Doktorat verfügbare Resourcen binden wird, ist für einige Diskutanten plausibel, daß die Qualität ingesamt sinken wird, und dann bald der Ruf nach Eliten laut werde. Das läuft auf eine Auslagerung der Doktorenausbildung an kontroversielle „Eliteinstitutionen“, welche Österreich nicht ausreichend finanzieren kann, und eine insgesamte Abwertung der staatlichen Universitäten, welche dann schwerpunktmßig vor allem im berufsvorbildenden Bereich der Fach(hochschul)ausbildung stünden, hinaus.
Herbert Hrachovec drückte es so aus: die UNI gleiche einem Betrieb, der zum gleichen Zeitpunkt nicht nur den Produktionsstandort und die Managementstrukturen, sondern auch gleich die Produktpalette wechsle. Dies als sinnvolle Herangehensweise und als positive Herausforderung zu sehen, grenze an Wundergläubigkeit. Ungeachtet der Beteuerungen des Rektorates, es solle keine Einschränkung der Fächerpalette geben, und Einspaarung sei nicht das Ziel, fürchten doch viele kleine Institute und Studienrichtungen um ihre Existenz in solchem Umfeld. Bologna, einst ein Symbol der Aufklärung, werde nun zum Synonym der Planierraupe im europäischen Bildungswesen, nicht verkaufbares werde vergehen, besoders gefährdet seien die Geisteswissenschaften, so einer der Diskutanten. Anderseits solle nicht vergessen werden, so Senatsvorsitzender Clemenz, daß diese spezifische Situation der rigiden Fächernivellierung von der österreichischen Regierung hausgemacht sei. Weshalb, so ein anderer Diskutant, habe es hier von Seite der Rektorate keinen Widerstand gegeben? Wiederholt wird deutlich, daß die überkonsequente Entdemokratisierung der Universitäten zu mehr Willkür, Desorganisation und Qualitätsverlust führte. Auf baldige Überarbeitung der entsprechenden Gesetze wird gehofft.